Taschenstern und Kamelgeschwindigkeit - Predigt zum Auftakt
Von Bettina Schlauraff, Regionalbischöfin in Magdeburg
gehalten am 6. Januar 2025 in Gardelegen
Wo geht’s denn eigentlich hin mit uns?
Wo geht’s denn hin mit uns … als Gesellschaft?
Wo geht’s da gerade hin?
Und mit unserer kleinen Gemeinde?
Mit unserer Kirche hier im Ort, in unseren Orten?
Wo geht’s da hin?
Mit unseren kleiner werdenden Gemeinden mit den noch verbliebenen Christen?
Welchem Stern laufen wie hinterher?
Wo wäre Stabilität zu finden,
wo der richtige Stern,
der, obgleich die Welt gerade wie blöde herumspringt, mich gelassen sein ließe, ohne Angst.
Ich stell mir vor, das ginge zu annoncieren.
Eine riesen Annonce. Großdruck, eine ganze Seite.
Hier in der Volksstimme:
„3 Weise Menschen gesucht, die den Weg kennen“
bitte melden Sie sich im Pfarrbüro, beim Bürgermeister, beim Landrat, beim Gemeindekirchenrat.
Schön wärs. Aber so wird es nicht sein.
Du wirst Dich, Ihr werdet Euch selbst auf den Weg machen müssen. In Gemeinden und Orten. In unserer Gesellschaft und in unseren Kirchen. In Deinen Beziehungen und in Deiner Familie. Du wirst Dich, Ihr werdet Euch selbst auf den Weg machen.
Der alten Geschichte von den drei weisen Männern,
seien sie Gelehrte oder Könige, die einfach loszogen wegen… einem Stern … und lange unterwegs waren und beim falschen König ankamen und am Ende die Antwort fanden… dieser Geschichte können wir da eine Mengen abgucken.
Und das fängt ganz am Anfang an:
Nicht warten, dass sich etwas bewegt, sondern sich selbst bewegen. Sich bewegen von da, wo man eventuell schon länger feste steht. Sich aufmachen. Etwas wollen. Von selbst. Nicht weil es jemand sagt.
Damit rechnen, dass es ungemütlich wird. Länger dauert. Geduld haben. Langen Atem. Kamelgeschwindigkeit. Eines trottenden Kamels manchma
Damit rechnen, dass Ziel nicht direkt neben dem Alten und Bekannten liegt. Sondern ganz woanders. Die drei hatten eine weite Reise. Ich weiß nicht, ob sie damit gerechnet hatten.
Und: nicht alleine losmachen, sondern Verbündete suchen für eine Sache. Welche die genauso und genügend verrückt sind, einer Sache nachzugehen.
Und: mit allem rechnen. Vor allem mit Unvertrautem. Keine Angst davor zu haben. Und vielleicht noch nichtmal einen Plan, weil es noch nie jemand so gemacht hat. Noch nie jemand in dieser Situation war. Jeder Rat von oben und außen vielleicht gar nicht passen würde. So wie jetzt war die Welt und war unser Kirche noch nie.
Außerdem: Man müsste damit rechnen, auch mal komplett am falschen Ort anzukommen, weil so ein Palast natürlich erstmal attraktiv ist und offensichtlich. Das sieht gut aus, draufzu!! Das haben die Drei gelernt: damit zu rechnen, dass das Ergebnis der eigenen Suche nach Lösungen am Ende weniger attraktiv sein könnte und kaum offensichtlich - so wie ein Stall. Aber doch die Rettung.
Wir könnten von der Geschichte lernen, damit zu rechnen, am falschen Ziel zu landen und uns neu motivieren zu müssen, völlig neu justieren. Das macht auch mal Frust. Wir sollten schauen - wohin mit diesem Frust, damit er uns nicht auffrisst.
Wir können lernen: an die eigenen Grenzen zu geraten und nicht mit Angst und Aggression zu reagieren, sondern interessiert. Realistisch. Nachfragend. Hier also geht es nicht weiter. Gut, dass ich das weiß, lass mal schauen, wo es dann weiter geht. Dann renne ich hier mal nicht vergeblich weiter. Vielleicht brauche ich auch mal eine Verschnaufpause. Vielleicht Entlastung.
Wir lernen von den Dreien: sich helfen zu lassen von anderen Weisen. Zuzugeben, dass andere Rechter haben können als ich. Ihre schräge Idee für möglich halten. Erstmal probieren vor dem Ablehnen. So wie im Palast die Schriftgelehrten nochmal für die drei Weisen nachlasen. Sich selbst plötzlich erinnerten an das Eigene. An die eigene Verheißungen. Unfassbar, was diese Reise der Drei um sie herum ausgelöst haben mag und in den anderen, sie haben eine Spur gezogen, die sie vielleicht nichtmal ahnten. Andere, die ermutigt wurde, weil sie mutig und unerschütterlich waren.
Und sie sind nicht müde geworden im Hoffen. So sehr waren sie sich sicher, dass das, wo ihr Herz für brannte, existierte und zu finden sei. Dass der Weg sich lohne, auch der Umweg, auch der Irrtum, auch die Ratlosigkeit, auch das Neuanfangenmüssen.
Sie lernten selbst, dass man andere nach der Verheißung fragen kann und sie sich sagen lassen kann. Das man gute Verheißungen teilen kann, dass die alten Worte der Schrift plötzlich in einer Lebenssituation den richtigen Weg weisen. Dass Gott wirklich leitet.
Auf die Frage: Wo geht es hin mit dieser Welt?
Wo geht es hin mit unserer geliebten kleinen Kirche? Wo gehts es hin in diesen wilden Zeiten? Darauf hat die Bibel keine Antworten und ich auch nicht.
Das geht auch gar nicht. Denn das Leben hat manchmal verrückte Wendungen, die kannst Du Dir gar nicht ausdenken.
Was die Bibel aber weiß ist: Das dass nicht der Punkt ist. Noah im Bauch des Walfisches, Maria mit einem unehelichen Kind im Bauch, sie hatten keinen großen Plan, was kommt. Sie hatten aber diesen Stern. Sie hatten diese Verheißung. Sie hatten Vertrauen. Sie hatten einfach Gott. Sie glaubten fest daran.
Und dieser Spur sind sie gefolgt. Dort fanden sie Antworten: woher ihre Kraft käme, wo ihre Nächsten seien, wie die Liebe zu leben sei. Das fanden sie dort. Sogar Menschen, die nur ahnten, dass es Gott geben könnte und die ihn erst entdeckten, haben diese Kraft gespürt. Unsere Vorfahren haben diese Kraft gespürt. Sie ist so etwas wie eine Art Taschenstern. Dein Glaube ist ein Taschenstern. Der Dich erinnert dass Gott Dich erlöst und trägt. Der Euch erinnert, dass Ihr Eure Gemeinschaft und Euer Gebet braucht.
Vielleicht jetzt wie nie zuvor.
Und mit dem in der Tasche können wir schauen: uns anfangen zu bewegen, Zeit einplanen, mit andere zusammen tun, nicht alleine dastehen, uns nicht scheuen lassen von falschen Versuchen und noch nie Dagewesenem, uns helfen lassen, uns Atempausen genehmigen, und das Licht der Hoffnung nicht ausgehen lassen, es einander wieder anzünden. Glauben, dass es sich lohnt. Das alles ist eine Kraft, die ist neben aller Logik und allen Fakten da, wir haben sie zusätzlich, damit kann man anfangen. Das lasst uns heute mitnehmen und dann auf die Kamele steigen. Amen.
Und der Friede Gottes, der höher ist als unsre Vernunft, der halte unsern Verstand wach und unsre Hoffnung groß und stärke unsre Liebe.
Prüfet alles und behaltet das Gute.
Die Bibel - 1. Thessalonicherbrief Kapitel 5, Vers 21
Liebe Besucher unserer Webseite!!
Herzliche Grüße sende ich Ihnen zum Jahr 2025! Ich wünsche Ihnen viel Gutes und Grund zur Dankbarkeit und Freude. Zum Ende der Gottesdienste in den Altersheimen sage ich es immer wieder: Ich wünsche Ihnen an jedem Tag mindestens einen Moment, eine Begegnung oder Erfahrung, die Sie lächeln oder sich freuen lässt! Und dann wird all das andere schon zu tragen sein.
Und dieser Wunsch soll auch am Beginn des neuen Jahres zu Ihnen allen kommen!
Oben können Sie den Bibelspruch für das Jahr 2025 lesen. Er ist so eine Art Überschrift, ein Motto für die kommenden 365 Tage.
Mir sind dazu sofort ein paar Redensarten und Sprichworte eingefallen:
Drum prüfe, wer sich ewig bindet …. Oder das hier: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.
Bei Vorhaben oder Plänen, wo der Ausgang oder Erfolg nicht sicher sind wird oft ein Prüfauftrag vergeben. Kosten und Nutzen werden in ein Verhältnis gesetzt. Und dann fallen mir die vielen Sicherheits- und Schutzauflagen ein. Darunter leiden wir und stöhnen darüber. Aber wie heißt es: Es geht um Sicherheit und unseren Schutz. Es soll jedes Risiko und jede Gefahr im Voraus ausgeschaltet werden.
Geht das? Können wir uns vor aller Gefahr schützen? Gibt es Leben ohne Risiko?
Ich sage ganz klar: Nein! Das Leben ist immer gefährlich und ein Wagnis.
Wenn wir uns gegen alles absichern wollen dann führt das entweder in das berühmte Bürokratiedesaster mit unendlich vielen Vorschriften und Verboten. Oder andererseits endet mensch in Wahnvorstellungen und Ängsten. Denn: Es gibt keinen Rundumschutz. Wie sagen die Engländer: no risk – no risk.
Das Bibelwort für das Jahr 2025 spricht nun auch vom Prüfen.
Der Apostel Paulus hat Briefe an die Christen im Örtchen Thessalonich geschrieben. Thessaloniki ist heute mit etwa 1,2 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern nicht nur die zweitgrößte Stadt Griechenlands, sondern auch eine der ältesten in Europa. Sie wird häufig als heimliche Konkurrentin Athens, der Hauptstadt dargestellt. Die Metropole liegt direkt unter den Augen der Götter, mit dem Olymp in Sichtweite.
Die Christengemeinde damals war noch nicht lange gegründet. Die Taufe der Gemeindeglieder lag kurz zurück. Sie suchten noch ihren Weg des Glaubens. Ihren Weg mit Gott und Jesus. Dazu gab Paulus ihnen Rat, Weisung und Hilfe. Genauso auch Korrekturen und Kritik.
Ein Streitpunkt war das Wirken des Heiligen Geistes. Es gab Leute, die erzählten und predigten auch von Gott und Christus. Sie sagten von sich selbst, dass sie Gottes Propheten seien. Ihre Aussagen kamen etlichen Christen komisch, wirr oder nicht der Rede Paulus entsprechend vor. Sie stellten Widersprüche fest.
Und in diese Situation schreibt Paulus seinen Satz des Prüfens. Er sagt: unterzieht alle Meinungsäußerung einer Prüfung. Vergleicht, was ihr gehört habt und was euch zur Taufe geführt hat. Und dann nehmt an, was gut ist und euch hilft. Scheinbar war es damals nicht so schwer die Geister zu unterscheiden.
Wie ist das heute? Welche Propheten treten auf und verkünden uns ihre Botschaft? Sind das Worte, die für uns schwer zu verstehen sind? Uns wirr vorkommen und nicht helfen?
Was müssen wir prüfen?
Das gilt für uns in der Christengemeinde. Genauso auch in der Bürgergemeinde, in der Gesellschaft. Was ist wirklich gut? Was hilft dem friedlichen Zusammenleben? Was stärkt die Liebe?
Da kommen jede Menge Fragen auf mich, auf uns zu. Jede Menge Grund, um nach Antworten zu suchen. Und vor allem nach dem, was mich und uns stärkt und tröstet.
Ich wünsche mir, uns einen klaren Verstand, offenen Augen und Herzen beim Prüfen. Und den Mut zur richtigen Entscheidung für das, was hilft.
Welch für ein Auftakt für 2025! Bleiben Sie behütet und stabil!
Ihr Tobias Krüger.